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Atmosphärisches Wochenbuch

Wie man dachte

Matthias Ohler am 01.04.2012

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Zum Aprilscherzen ein Zitat aus einem Blog vom 1.4.2006:

Heute ist der 1. April; ein weiterer Tag, der uns über ein festgelegtes Datum für einen einigermaßen festgelegten Zeitraum erlaubt, überraschend Dinge zu tun, die an anderen Tagen wahrscheinlich üblere Konsequenzen hätten als heute. Aber wirklich vom Hocker reißt´s doch nicht. Und wer mit seinem Aprilscherz am späten Vormittag kommt oder sogar noch später, wird schon schlechtere Chancen haben, noch ein überraschtes Gesicht, ein nachsichtiges Grinsen, oder wenigstens „Ja ja, April April“ zu ernten. Es schleicht sich schon über den Verlauf des Tages hin aus. Als gratulierte man zu spät zum Geburtstag.

 

Unsere drei Haustiere reagieren auf solche Scherze nicht anders als sonst auch. Sie nehmen keinen Unterschied wahr, da kann man beabsichtigen, was man will. Was soll auch die Äußerung „Katerchen, heut kommen die Mäuse in Schwärmen“ bewirken?

 

Unsere Traditionen haben in dieser Hinsicht so viel verloren, dass mir die Haustiere schon konsequent erscheinen; sie haben erst gar nicht damit angefangen. Nehmen wir ein oft beklagtes Beispiel: Erst geben wir das Zappen frei, jeder kann sehen, was er will; dann zappen wir und hören überall nur „Jetzt kommt ein bisschen Werbung, dann ... xx yy zz. Bleiben Sie dran.“ Die Variationen wie „Bis gleich nach der Werbung“ oder „Nach der Werbung haben wir das hier für sie“ - gefolgt von einem Ausschnitt als Ausblick auf das, was man für uns vorgesehen hat (im wahrsten Sinne des Wortes) - sind auch nicht besser. Wer wirklich überrascht werden will, muß sich schon gewaltig anstrengen. Aber wollen wir in solchen Kontexten wirklich überrascht werden? Will ich überhaupt überrascht werden?

 

Negative Überraschungen gibt´s eh genug. Auch wenn sie gleich wieder eingeordnet werden und dann gar nicht mehr so überraschend sein sollen. Tornado über Hamburg; na ja, Klimakatstrophe halt. „Wird´s jetzt wie in Amerika?“ (BILD). Oder: Doch nochmal Schneemassen, und das heißt: Schippen raus! Usw.

 

Wie steht es mit positiven Überraschungen? Ich muß zugeben, dass mir die manchmal auch nicht geheuer sind. „Wenn du jemanden kennenlernen willst, versuche, ihn zu überraschen“, sagt ein Sprichwort. Und der oder die Überraschte? Wurde die gefragt, ob sie kennenlernen will? Und dann noch den Überrascher? Natürlich nicht, der Überraschung wäre der Boden entzogen. Und was als positive Überraschung gemeint ist, muß ja nicht so aufgenommen werden. Mich wollten vor einigen Jahren Bekannte besuchen und kündigten ihren Besuch – Gott sei Dank – telefonisch an. Ich lag mit Grippe im Bett, willkommene Gelegenheit, dankend abzulehnen. Die Reaktion: „Dann machen wir doch einen Krankenbesuch.“ Meine Überraschung kann man sich wohl vorstellen. Ich hatte keine Schranke vorm Grundstück – na ja, und die Tür nicht aufzumachen, habe ich mich dann doch nicht getraut. Sie blieben länger. Meine Abwehrkräfte waren geschwächt.

 

Manche Überraschungen scheinen ein gewisses Maß an Vorbereitung zu brauchen, damit sie wirklich gelingen können. Manche nicht. Und sie sind allemal nicht per se positiv. Katastrophenmeldungen können überraschend kommen, oder erwartet. Überfälle auch.

 

Ein interessantes Beispiel für das Überraschungsspiel ist die Werbung für große Lotterien, wo man beispielsweise im Fernsehen Frank Elstner und einige Kinder auf ihrem Weg zur noch ahnungslosen Gewinnerin des Traumhauses sieht. Natürlich, so würde man auch gerne überrascht. Aber dazu bedarf es der Vorbereitung: Mitspielen, und zahlen natürlich. (Und: wissen, dass man mitspielen kann; also: umworben werden). Sonst kommt Frank Elstner garantiert nicht. Wenn man mitspielt, kommt er wahrscheinlich auch nicht, wenn er käme, wäre es eher eine Überraschung. Aber man kann sich wenigstens drauf vorbereiten. Und ziemlich sicher geht er auch schnell wieder, wenn er den Schlüssel abgegeben hat. Dann darf der auch bei Grippe kommen.

 

Und die Sonntags- oder Feierabend- oder Mittagspausen-Anrufer von SKL, NKL, Günther und Consorten? Die überrasch ich. Denen sage ich immer: Ach, wissen Sie, ein zweites mal will ich den Krach mit den Verwandten über die Millionen nicht durchmachen müssen. – Wenn dann die Antwort beginnt: „Aber Sie haben doch noch gar nicht ...“ bricht die Verbindung ab. Ganz überraschend.

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