skip to content
Bild001 image

Übersicht

Atmosphärisches Wochenbuch

Egon Bahr

Matthias Ohler am 20.08.2015

-> Hier können Sie Kommentare lesen oder schreiben

 

 

Am 28. Mai 2013 schrieb ich hier unter dem Titel "Egons Rat":

Egon Bahr gehört sicher zu den großen Persönlichkeiten in der politischen Landschaft in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Im Gespräch mit dem ZEIT-Magazin gibt er einen guten Rat, bezogen auf die klassische Aufforderung gnothi seauton: "Du musst das machen, was in dir drinsteckt, damit du dich voll entfalten kannst, im Interesse der Gesellschaft und im eigenen Interesse. Wenn du dich überschätzt, wird es zuweilen komisch und lächerlin; wenn du dich unterschätzt, ist es schade." Damit hat Bahr, glaube ich, gezeigt, dass er die ganze Dimension des "erkenne dich selbst" im Blick hat, nämlich auch die unverzichtbare Beziehung des Sich-um-sich-selbst-Kümmerns zum Sich-um-die-anderen-Kümmern, die gesellschaftliche Verantwortung, aus sich zu machen, was man kann, um es herzugeben. Ein wohltuend scharfer Kontrast zu manchen monokulturellen Kürtrainings mancher zeitgenössischer Coaching-Simpel.

Nun ist Egon Bahr tot. Es fehlt fortan ein besonderer Gesprächspartner. Dies betrifft nicht nur Inhaltliches, sondern in nicht unbedeutendem Maße den Klang, in dem sich Bahrs Klugheit und Bedachtheit äußerte. Dieser Klang, man kann auch sagen dieser Sound – und mit diesem Wort ist eine andere Nuance getroffen als mit dem Wort Klang – hat eine besondere Authentizität, die er von daher bezieht, dass er schon allein in seiner Lautstärke und seiner rhythmischen und auf Tempo bezogenen Auffassung das Bedachtsein atmosphärisch anbietet und durchhält - kleine Aufgeregtheiten und zuweilen engagiertes Timbre inclusive.

Das folgende Beispiel - Ausschnitte aus einer Maybritt-Illner-Runde im November 2014 - zeigt sehr schön, was fehlen wird. Etwas, das die auf rasantes Tempo, beklatschbaren Streit und Unduldsamkeit getunten "Gesprächs"-Formate und ihre ProtagonistInnen kaum auszuhalten gewillt sind. Auch in und bei denen ist eine besondere Athentizität zu erleben. Und die hat ihre eigenen, besonderen amtosphärischen Auswirkungen - leider, wie ich finde, in alle anderen Richtungen als die von BedAchtsamkeit.

https://www.youtube.com/watch?v=da6oAafxFQ4

 

Hier können Sie Kommentare schreiben

Zur Übersicht