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Übersicht

Atmosphärisches Wochenbuch

Katalogrhetorik

Raimund Schöll am 23.11.2015

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In den Managementhandbüchern stehen seit langem schon sogenannte Ideal-Typologien (zB. "Level 5 Leadership") hoch im Kurs. Auch "Ideal-Typen" genannt, um es mit Max Weber zu sagen. Das Problem dabei ist m.E., dass der Rezipient häufig im Unklaren gelassen wird, ob mit ihr lediglich die Beschreibung einer Möglichkeit im engeren Sinne oder eine Bewertung im Sinne eines "Gut-schlecht"-Kontinuums mitgemeint ist. Weil dies so ist, werden Ideal-Typen im Zweifelsfall vom Endverbraucher normativ gelesen, ist meine Erfahrung.

Das setzt die Rezipienten nicht selten unter Druck. Die Ideal-Typologie suggeriert eine vermeintliche Diskrepanz zwischen Ist und Soll: "Ich muss als Manager also von Level 1 auf Level 5 kommen!" Auch bei Begriffen wie „Ideal-Selbst“ (ursprünglich aus der humanistischen Psychologie kommend) scheint mir eine ähnliche Logik zu walten.

Neulich bin ich durch Zufall auf einen Buchtitel gestoßen: Der ging im Untertitel ungefähr so: „Es ist nicht wichtig, wer du bist, sondern, wer du werden willst.“ Der Leser soll ein Idealbild von sich entwerfen, was angeblich höchst motivierend sei. 

Ich habe ehrlich gesagt ein ambivalentes Verhältins zu solchen und anderen Typologien. Ich bezeichne sie hin und wieder auch gern als "Katalogrhetorik". Bei der Katalogrhetorik handelt sich um offene oder verkappte Soll-Botschaften, die beim Rezipienten für potenzielle Selbst-Unzufriedenheit sorgen. Es wird ein mehr oder weniger schönes bzw. häßliches Bild gezeichnet, das es zu erreichen bzw. zu vermeiden gilt.

Bedient wird damit unser individueller aber auch der gesellschaftliche Narzissmus. Der Narzisst ist nie zufrieden mit dem Ist. Er strebt stets nach dem Soll - nach Höherem, Besseren. Ein nicht immer unbedenklicher Sog, wie wir wissen. Auch und gerade in der Mitarbeiterführung nicht, weil die Gegenwart damit potenziell abgewertet wird.

Katalogrhetorik in der Management-Literatur, oft auch in der Psycho-Literatur, suggeriert gern eine verheißungsvolle Zukunft und eine zwangsläufig fehlerhafte Gegenwart: „Du Manager, du Mensch bist jetzt noch nicht ok, betet einem die Katalogrhetorik vor. Du bist erst ok., wenn du…. Optimiere dich also! Verbessere dich! Sei nie zufrieden! Zieh dich warm an!

Eine gelegte Heringsspur, die nicht selten auch im Coaching auf Abwege führt. Der man als Coach sowie als Coachee aber nicht zwangsäufig folgen muss. Oft genügt es, die Dinge einfach anders zu sehen oder anders zu machen. Oder beides.

Kommentare

17.01.2016

MatO

http://www.atmosphaeriker.de/media/pdfs/OhlerProfile2012.pdf

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