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Atmosphärisches Wochenbuch

Altgenossen und Alt-SSer - Statt eines Kommentars

Matthias Ohler am 16.08.2011

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Lieber Raimund, statt eines Kommentars ein Beitrag zu Deinem von heute.

Mit dem Text zum SPIEGEL-Stil triffst Du, denke ich, einen Nerv des Zielgruppen-Journalismus. Der Bericht berichtet offensichtlich nicht, sondern bedient. Er bedient das vorbereitete Kopfnicken derer, von denen man erwartet, dass sie ihn lesen und in ihren Beurteilungsgewohnheiten nicht gestört werden wollen. BILD wirbt - oder warb - mit dem Slogan "BILD Dir Deine Meinung." Mit einer kurzen rhythmischen Pause nach "BILD" - zu der die großen Lettern auch einladen - laut gelesen, wird die Botschaft daraus: Wir liefern Dir Deine Meinung, die Du entweder schon hast oder nehmen sollst. So gesehen wird SPIEGEL zu einem sprechenden Blatt-Namen für die, die hineinschauen.

Ich habe eine interessante Erfahrung gemacht, als ich in meinem Hotel ein Altherrentreffen mit Übernachtung angenommen hatte - knapp zwanzig Jahre ist das her -, bei dem sich herausstellte, daß es sich um eine ehemalige SS-Panzertruppe handelte - ein Treffen derer, die überlebt hatten und noch lebten und zu ihren SS-Zeiten etwa so alt waren wie Herr Günter Grass seinerzeit. Ich war damals kommunalpolitisch engagiert, im linksökologischen Spektrum. Ich richtete am Morgen das Frühstück für die Herrn, unterhielt mich mit ihnen, fand sie rührend, fast ein bißchen bemitleidenswert und so ganz und gar ungefährlich - auch für mich und mein Denken. Ich brachte einiges in Erfahrung über ihre Leben. Und, als "ruchbar" wurde, wen ich beherbergt hatte, dann auch einiges über meine politischen Gefährtinnen und Gefährten und deren Ausgrenzungsfähigkeiten gegenüber Leuten, die aus deren Sicht nicht hundertprozentig linksökologisch zu handeln scheinen und nicht ausgrenzungsfähig genug sind. Als habe das Gespräch mit meinen Gästen mich kontaminiert, spürte ich die gewachsene Distanz, und vor allem das Desinteresse an dem, was ich zu erzählen gehabt hätte. Meine politischen Einschätzungen hatten sich ja gar nicht geändert, ich hatte über meine Gäste eher mehr darüber erfahren, warum ich sie für angemessen hielt.

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