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Atmosphärisches Wochenbuch

Nordkorea, Gefühlsarbeit und glücklicher Kapitalismus

Raimund Schöll am 14.01.2012

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In Nordkorea wurden mehrere Menschen zu einem halben Jahr Zwangslager verurteilt, weil sie während der staatlich verordneten Trauerfeierlichkeiten, anlässlich des Todes von Kim Jong Il, nicht genug getrauert und geweint hatten. Das stand heute in der Zeitung, als kleine Glosse.

Angesichts dieses Vorfalls denkt man...., ja was denkt man da: menschenverachtend, idiotisch, faschistoid und lächerlich dazu natürlich!

In diesem Zusammenhang allerdings fiel mir das Buch Gekauftes Herz. Die Kommerzialisierung der Gefühle von Arlie Russell Hochschild, einer amerikanischen Soziologin und Emotionsforscherin, wieder ein, das ich mal vor Jahren gelesen hatte. Hochschild beschreibt darin, wie sehr wir in den westlich-kapitalistischen Gesellschaften - sowohl privat als auch beruflich -, auf Gefühlsregulierung getrimmt sind. In einem Kapitel schildert Hochschild, wie die Stewardessen einer amerikanischen Air Line darauf abgerichtet werden, ihren Gästen, durch mütterliche Gesten ein angenehm behagliches Flugreise-Gefühl zu vermitteln. Und wer’s dauerhaft nicht schafft - wird geschasst. Hochschild, konstatiert, dass Emotionen in den westlich-kapitalistischen Gesellschaften immer mehr zu allseits verpflichtenden Handelsware werden.

Wo aber liegt der Unterschied zu Nord-Korea? Vielleicht geht der so: hier bei uns können wir als Verbraucher die uns auferlegte Emotionsware ablehnen. Wenn Airberlin will, dass ich mich freue, muss ich mich noch lange nicht mit freuen. Der gefühlsverpflichtete Nord-Koreaner kann das nicht. Er muss die Gefühle fühlen, die ihm von Staats wegen vor gegeben sind (Trauer, Jubelfreude etc.), andernfalls droht die Sanktion. Und was ist mit den Telefonistinnen und Telefonisten, Stewardessen und Stewards, sprich all den modernen Gefühlsdienstleistern bei uns? Können die einfach die Gefühlsarbeit aussetzen? Sie können, aber sie werden entlassen, wenn’ sie’s nicht bringen (z.B. werden in Call Center-Firmen Telefonate mitgeschnitten, u.a. um zu überprüfen, ob die Gefühlsarbeit am Kunden gelingt).

Und richtig, in’s Arbeitslager müssen sie auch nicht. Glücklicher Kapitalismus.

Kommentare

15.01.2012

Matthias Ohler

... da waren sie ja, und jetzt muessen sie es wechseln

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