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Übersicht

Atmosphärisches Wochenbuch

Auto-Poiesis

Matthias Ohler am 17.05.2011

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Atmosphäre (im übertragenen Sinn) ist sicher auch ein Resonanzphänomen. Ganz zwanglos bietet sich hier gleich der Gang in die Welt der Klänge an.

Besonders tönende atmosphärische Phänomene sind mir überlebenswichtig. Als Mensch, der viel Zeit in diversen Automobilen verbringt, umgebe ich mich über die akustischen Beeinflussungsmöglichkeiten im Innenraum des Gefährts (Gefährten) mit Vorlesungssälen, Konzertsälen, Jazzkellern, Klöstern, Kirchenschiffen, Debattierclubs, und besonders gerne mit Aufnahmestudios.

Früher war ich gern in vollen Zügen unterwegs. Seit jede Milchkanne, an der man hält, heiße sie Kassel, Fulda, Hannover, Weinheim oder Berlin, mindestens zweisprachig angekündigt wird, und dann auch noch die Reste, die das Bordrestaurant loswerden muss, regelmäßig angepriesen werden, ist Zugfahren eher abgefahren. Gerade entstandene und auf weitere Zeithäuser angewiesene Atmosphären zerbröseln in akustischen Schutt. Zu allem Überfluss hört man immer wieder zwangsläufig Gesprächshälften, deren andere Hälften in anderen Mobiltelefonen plätschern.

Mein alter Freund, der Soziologe, Germanist und Taxifahrer Pablo, schrieb eine Reisebiographie Casanovas. Ihn interessierten dabei weniger Casanovas Gefährtinnen als vielmehr seine Gefährte. Pablo verdanke ich das Einsichtsangebot, das individuelle Reisen trage Möglichkeiten in sich, von denen alle, die andere Reiseformen bemühen, nur träumen können.

Man darf gespannt sein, was den Innengenieuren für Automobile zur Eigengestaltung der Auto-Poiesis noch alles einfällt (siehe den Beitrag in diesem Wochenbuch vom 24.3.2011).

Kommentare

19.05.2011

Tatjana Ohlig

Die Bedeutung der Botschaft bestimmt der Empfänger!

Somit hat er nicht nur das Recht, sondern nicht einmal eine andere Möglichkeit, als die Interpretationsspielräume, die durch Sprache eröffnet werden, mit je eigenem Verständnis, durch persönliche Assoziationen hervorgerufen, zu füllen. Schön!

In vollen Zügen unterwegs zu sein, nicht ausschließlich in überfüllten, raubt mir regelmäßig meine Besinnung(-szeit).

Zeithäusern, die gefüllt werden könnten mit gewählten äußeren Reizen oder gar dem Driften durch die ganz eigene innere Welt, wird die möglicherweise Geborgenheit stiftende Atmosphäre vorenthalten.

Türen, Tore und Fenster werden aufgerissen, um Phänomenen das Hindurchrauschen zu ermöglichen.

Das Taxifahren schützt den Teil des Systems, der hier professionell unterwegs ist, nicht unbedingt davor.

Im Bewusstsein der kürzlich aktivierten Erkenntnis, dass die Beantwortung einer Frage das Dunkel des Nicht-Wissens noch vergrößern kann, bleibe ich skeptisch zurück mit der deutlich spürbaren Ungewissheit, ob ich es mir mit gutem Gewissen erlauben darf, das Stück Ressource der Welt, das durch mein individuelles Reisen verbraucht wird, für mich zu beanspruchen. Tun, werde ich es.

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