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Atmosphärisches Wochenbuch

Jack Wolfskin

Matthias Ohler am 28.12.2012

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Heute Vormittag fuhr ich für einen kleinen Einkauf zu den nebeneinander hingelagerten Märkten Rewe und Aldi. Ich hatte diese Idee an einem Freitag vor und nach Feiertagsblöcken nicht allein. Der Parkplatz - er ist sehr groß - war voller als je zu irgendeiner Zeit in den letzten Jahren, da ich ihn erlebte. Erster Eindruck: Sehr viele ängstliche Gesichter, herausschauend aus Klamotten und unter Mützen, die Stärke und Entschlossenheit - und natürlich massenweise Individualität und Unverwechselbarkeit - symbolisieren sollen (Jack Wolfskin und wie sie alle heißen), unterwegs zu den passenden Autos oder in Richtung der Marktgebäude. Ich schreite zum Eingangstor einer der Warenburgen, einsam; es gelingt mir nicht, mein Spiegelbild zu ignorieren, das die Glastür mir zuwirft wie einen herausgeschnittenen Filmschnipsel.

Kommentare

29.12.2012

Max Liebscht

"Sesam öffne Dich!" heißt es in einer womöglich beispielhaften Geschichte. Ali Baba und die 40 Räuber, welche all die Reichtümer hinter der magischen Pforte zusammengeraubt haben, sterben auf unfeine Weise in heißem Öl. Es stimmt, dass Geld unsere Beziehungen trivialisiert, Banken und Versicherungen soziale Gemeinschaften zersetzen und das öffentliche Leben ethischer Kontrolle entziehen. Dennoch hab ich mir dieser Tage 1 Auto gekauft, 2 Öfen, 5 Couches, 1 Wintermantel, 2 Seminarbesuche, 4 Bücher, die wiederaufkeimende Symapathie von 5 Mäzenen auf Zeit, Werkzeug für 2 Söhne, 1 Decke für 1 Tochter, 2 Monitore für die Arbeit, 1 wiedereinpflanzbaren Weihnachtsbaum für den schönen Schein, x mal Kolonialwaren, Braten, Würste, Bier und Wein bis kurz vorm Erbrechen, 1 Waschmaschine, 1 Palette Eichenfeuerholz, 4 Regale für die äußere Ordnung, 1 dekadente Pelzmütze + Unterhosen, Taschenlampen für den nächtlichen Straßenkampf nach der nächsten Währungsreform und find es im Hinblick auf die absehbar immer unsichereren Zeiten super, in bislang funktionierenden Märkten noch einem derartigen Kaufrausch frönen zu können. So komplex wie das Leben eines Teilzeitphilosophen an den Rändern dieser Kulturgemeinschaft inzwischen ist, entlastet diese Möglichkeit der Trivialisierung persönlich immens. Auf der anderen Seite entstehen durch all den Billigramsch Schulden und Schuld. Volkswirtschaftlich global statt nur betriebswirtschaftlich betrachtet, scheint es beliebig bis unmöglich einzuschätzen, wieviel im Grunde etwas wert ist. Dennoch gibt es immer jemand, der es zu wissen scheint; Frauen, Kinder, Sünder welche sich dumm vorkommen solange bis sie denn dahin gekommen sind zu meinen, eine Sache zu besitzen. Wer die Dinge, die er braucht, wie ein Antonius in der Wüste selbst erstellt, braucht keinen Handel noch einen anderen Spiegel außer der Werke, die ihm alltäglich zeigen, was er ist. Wenn ich mir all das kaufe, muss ich nicht weiter nachdenken. Wer alles hat, ist im Jenseits angekommen?

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