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Atmosphärisches Wochenbuch

Gedichte als atmosphärische Versuche

Matthias Ohler am 29.09.2009

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Ein Doppelgedicht aus dem Jahre 1992 von Victor Klein - einer meiner Lieblingsdichter - erscheint mir in neuem Licht, wenn ich es als atmosphärischen Versuch lese; als Versuch, einen Erlebnisraum (der als solcher schon Handlungsraum wird) zu machen, der bewohnbarer ist als der, in dem man vor diesen Formulierungen gehaust hat. Mutet etwas unpoetisch an. Das scheinen Kommentare an sich zu haben. Hören wir ins Gedicht:

 

The Duke of Cracow

I

In Deinen Lippen steht etwas geschrieben,

auf deinem Federmund.

Es ist die alte Geschichte:

Es ist mein Traum der Frierenden,

die zu wärmen ich komme,

- reiner Zufall! -

Selbst ein Frierender,

wärmst du mir die Wange

mit einem Hauch deiner Lippen,

mit deinem Mund.

Seit ich bin, bist du.

Wärmst meinen federlosen Mund.

 

II

 

Es wird Tag, und mein Herz ist ein großer See.

Sein Spiegel zeigt mir: Du schläfst noch bei ihm.

Oh, ich werde trinken können aus meinem See. Später.

 

Am Ufer meines Sees wachsen Federweiden.

Weit haben sie sich ausgeworfen und senken ihre Spitzen

ins Wasser. Sanfter Flügel Federn. Dein Haar.

 

Sie brauchen keine Wurzeln. Nur im Wasser die Federn.

Die bleiben, auch wenn die Weiden die Schwingen ausbreiten.

Fortfliegen. - Der See hält seine Bilder.

 

Ich werde mit den Augen ins Wasser tauchen.

Ich werde trinken können aus meinem See. Später.

Ein großer See ist mein Herz. Mit Federweiden am Wasser.

 

Wenn es Tag wird, wohne ich am Grund des Wassers.

Beim Auge des Weidenvogels.

Und bin nicht zu sehen.

 

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