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Atmosphärisches Wochenbuch

Shitmob

Raimund Schöll am 16.09.2012

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Schon interessant, wie sich gerade auf Bettina Wulff geworfen wird. Da schreibt eine 38-jährige Ex-Präsidentengattin eines gescbeiterten Ex-Präsidenten ein paar unausgegorene Gedanken aus ihrem Off auf, veröffentlicht sie zwischen zwei Buchdeckeln und schon empört sich landauf landab die halbe Republik. Hämisch bis ätzend ist das, was da allein bei Amazon über Frau Wulffs Selbstentlastungstext geschrieben steht. Aber auch in den „seriösen“ Zeitungen klingt es nicht viel besser. Ein Mordsgezeter. Inhaltlich mag es Gründe dafür geben. Genauso wie man immer einen Grund hat, Jogi Löw als Bundestrainer zu beschimpfen, wenn er sich vielleicht mal wieder in der Mannschaftsaufstellung geirrt hat.

In den Western, die ich mir früher gern angesehen habe, schrie der Mob hin und wieder „hängt ihn“, wenn jemand etwas ausgefressen hatte, oder jemand der abseitigen Moral verdächtigt wurde. Und das so laut und so lange, bis ein selbst ernannter Henker seinen Job getan hatte. Erst danach wurde gefragt: sind wir nicht irgendwie doch übers Ziel hinaus geschossen? Heutzutage sind es der shit storm, der Leserbrief, die wohlfeile massenkompatible Kolumne, die willig die Funktion der billigen Affektabfuhr übernehmen.

Würde Bettina Wulff in den nächsten Wochen etwas zustoßen, sei es dass sie sich selbst etwas antäte, oder dass ihr ein tödlicher Autounfall passierte, was man ihr weiß Gott nicht wünschen mag, ahnt man, welche Affekte dann durch die Republik mäanderten. Das übliche Betroffenheitspalaver, investigative Leitartikel, Psychologeninterviews. Dann sollte es aber nicht wieder heißen „verlogene Politik“, sondern vielleicht zur Abwechslung mal „verlogene Gesellschaft“. Oder einfach nur Shitmob!

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