skip to content

Atmosphärisches Wochenbuch

Quersprechen im bissness

Raimund Schoell am 02.06.2011

-> Hier können Sie Kommentare lesen oder schreiben

Demnächst wird in einer Zeitschrift für Selbständige ein Artikel von mir zum Thema Quersprechen erscheinen. Für eifrige Wochenbuchleser hier schon mal der unredigierte Vorabdruck:

Querdenken heißt Quersprechen

 „Sich committen“, „Aufträge generieren“, „Credit points aufbauen“, „Milestones definieren“,  „den benefit erhöhen“, „Awareness entwickeln“. In der Geschäftswelt bedient man sich gerne der Kürzel und Begriffe, die vorzugsweise angelsächsischen Managementbestsellern oder Wissenschaftsfiebeln entliehen sind. Der Gebrauch von Worthülsen ist nicht nur in der Politik, sondern inzwischen auch in der Wirtschaft gang und gäbe. Worthülsen sind Redeweisen, die wenig aussagen oder sich durch ihren inflationären Gebrauch abgenutzt haben. Nur noch wenige, so scheint es, fallen im Geschäftsleben durch einen einfallsreichen Gebrauch der Sprache auf.

Ein besonders schönes Beispiel von Manager-Sprech habe ich im Internet entdeckt:

Wer seinen Ju-es-pi (USP) nicht richtig brandet, pusht bei seiner Community keine ausreichende Awareness. Und wer dann nicht als smart follower schnell genug zu einem neuen Business Model switcht, wird schneller, als ihm lieb ist, als underperformer geoutphased.

(Die letzten Worte eines unbekannten Topmanagers, www.journalistische-praxis.de/wirtschaft/onlineplus_managersprech.htm)

Dabei birgt jede Sprache ein schier endloses Reservoir an Anwendungsmöglichkeiten. „Der Stoff des Denkens und die Unendlichkeit der Verbindungen desselben“, sagte der Naturforscher Alexander von Humboldt, "sind unerschöpflich“, die Menge des zu Bezeichneten und zu Verknüpfenden in der Sprache könne niemals erschöpft werden. Verwunderlich ist daher schon, dass die Vielseitigkeit der Sprache gerade in den Unternehmen nicht besser genutzt und gefördert wird. In Zeiten, in denen Einfallsreichtum, Innovation und Querdenkertum gefragt sind, läge möglicherweise ein großer Gewinn darin, wenn die vielen Meetings (sorry, auch ich bin nicht ganz frei davon!) und Besprechungen hin und wieder durch kreative Sprachgebräuche aus dem Rahmen fielen, die öden Sprechwüsten durch quellende Sprechoasen aufgelockert würden.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen. Es muss ja nicht gleich der Duktus des Dichters und Denkers sein, um mit kreativem Sprechen aufzufallen. Oft genügt es, den Mut zu haben, sich des eigenen Wortsinns zu bemächtigen. Anstatt sich vorbehaltlos der 0815-Etiketten der Wortsupermärkte zu bedienen, kann schon hilfreich sein, abstrakte Begriffe und abgedroschene Sätze in eine eigene Sprechweise zu übersetzen. Dabei muss beileibe nicht alles im Eigenbau geschehen. Ein Unternehmer, der genervt war ob der sich ausbreitenden Langweile in seinen Meetings, hat z.B. seine Mitarbeiter dazu ermuntert, bei bestimmten Worthülsen, einschließlich seiner eigenen, ein „Bullshitveto“ einzulegen. Es durfte in Besprechungen nur dann weiter gesprochen werden, wenn mindestens eine alternative Sprechweise zu einer Worthülse gefunden wurde. Dies brachte nach anfänglicher Irritation Bewegung in die Gruppe, sorgte sogar für manch neue Idee im Unternehmen. Auch atmosphärisch kam durch das neue Sprechen übrigens einiges in Fluss.

Im Folgenden sind ein paar Tipps zum Quersprechertum vorgeschlagen. Nicht alles, was aufgelistet steht, ist einfach umzusetzen. Sich in seinen sprachlichen Angewohnheiten zu verändern bedarf der Übung und Ausdauer.

1. Versuchen Sie die Sachverhalte, für die Sie bislang bestimmte wiederkehrende Begriffe benutzt haben, anders oder neu auszudrücken.

ZB. Statt „Credit points aufbauen“ könnten Sie sagen „Vertrauen gewinnen“. Statt „Wir müssen milestones definieren“ wäre die Alternative „Lassen Sie uns wesentliche Etappen unseres Projekts festlegen.“

2. Stellen Sie denen, die allzu populäre Begriffe gebrauchen, einfach einmal die Frage, was sie darunter verstehen.

Beispiel: "Entschuldigen Sie, Sie sagten gerade, dass wir ein aktiveres Ressourcenmanagement betreiben sollen. Was genau meinen Sie damit?"

3. Versuchen Sie Ihre Tätigkeit jemandem, der wenig Berührung mit dem Wirtschaftsleben hat, so zu erklären, dass er es verstehen kann.

Beispiel: Statt „ich bin im Key account Management tätig“ könnten Sie sagen „Ich bin Verkäufer und betreue Kunden, die selbst wieder Kunden haben. Diese versuche ich davon zu überzeugen, dass es gut ist, genau mit unserer Firma langfristig weiter zusammen zu arbeiten.

4. Sprechen Sie einmal in der Woche kein einziges Fremdwort, vermeiden Sie jedes Wort, das sich nach Worthülse anhört.

Versuchen Sie die Sachverhalte, um die es geht, allein mit deutschen Worten auszudrücken.

5. Worthülsen sind oft Nomina. Sprechen Sie in Verben.

Nomina haben den Charakter, Dinge die eigentlich im Fluss sind, fest zu schreiben. Durch das Sprechen in Verben gewinnen Sie mehr Flexibilität.

6. Nutzen Sie Metaphern. Metaphorisches Denken will heißen, dass wir Merkmale einer erfahrbaren Idee auf eine andere erfahrbare Idee übertragen.

Stellen Sie z.B. Mitarbeitern die Frage: Wenn wir als Team ein lebender Organismus wären, wer oder was wären wir? Oder den Kunden: „Wie würden Sie die Atmosphäre unseres Unternehmens beschreiben?“

7. Hören Sie Menschen zu, die anders denken und sprechen, lesen Sie auch Nichtfachliches.

Ein guter Roman, ein schönes Gedicht, regt die eigene Sprechkreativität an.

Wenn Sie sich nun fragen, wie Sie das alles checken sollen, committen Sie sich gerne mit mir, aber selbstverständlich nur dann, wenn dies Ihr workflow zulässt und ihre performance dadurch nicht gechargt wird.

Hier können Sie Kommentare schreiben

Zur Übersicht