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Atmosphärisches Wochenbuch

Bombengeschäft

Matthias Ohler am 02.12.2011

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Am Sonntag möchte ich mit dem Zug von Heidelberg nach Köln fahren. An sich nichts Ungewöhnliches. Zur Pflege der Erinnerung an die Fahrten zu den Großeltern in Wetter an der Ruhr, die auch immer über Köln führten, wähle ich die Rheinstrecke über Koblenz. Auch nichts Ungewöhniches. Alltag für viele.

Füpr alle, die in den letzten Tagen die aktuellen Koblenzer Verhältnisse wahrgenommen haben, ist der erste Satz aber schon anders verstanden: Diesmal bin mit den Reiseplänen mitten im Bombengeschäft. Die groß angelegte Evakuierung zur Entschärfung des im Rhein aufgetauchten britischen "Blockbusters" (oder "Litfaßsäule", "Badeofen", Financial Times Deutschland 30.11.11, http://www.ftd.de/politik/deutschland/:fund-im-rhein-fliegerbombe-sorgt-fuer-massenevakuierung-in-koblenz/60136033.html , typische Bezeichnungen für solche großen Luftminen, die den Umgang mit solchen Bedrohungen wohl erleichtern helfen sollen), diese Evakuierung ist für den Sonntag geplant. Krankenhäuser, Gefängnisse und andere Wohnstätten müssen zwischenzeitlich geräumt werden. Ca. 45000 Menschen müssen sich bewegen oder bewegt werden. Und manche Züge fahren oder halten nicht.

Mit diesen Aktionen wird eine Masse an Selbstverständichkeiten berührt und offengelegt, die sonst gar nicht mehr auffallen - ähnlich wie der Blockbuster selber an die siebzig Jahre im Rheinbett schlummerte, ohne groß aufzufallen. Welche Häftlinge dürfen mit welchen zusammen reisen, welche Krankenhäuser dürfen welche Patienten aufnehmen? (Usw. siehe den genannten Artikel.) Zugleich wird über die geordnete Abwickung des Großeinsatzes neue, beruhigende Selbstverständlichkeit angeboten. So werden etwaig zu erwartende atmosphärische Erschütterungen in einen neuen atmosphärischen Bezug gebracht. Man entzaubert die Überraschung durch andere Routine. Wenn das gelingt, ist ein wesentliches Stück Katastrophen-, oder gelinder gesagt: Ausnahmenmanagement geleistet.

Die Hubschrauberflüge der Polizei haben übrigensl dazu geführt, daß mehr Bomben gesehen werden als zB beim Niedrigwasser 2003. Es gibt eben nur das, was wahrgenommen bzw. kommuniziert wird.

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