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Atmosphärisches Wochenbuch

Retour à la nature?

Raimund Schöll am 26.06.2012

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Während der Autofahrt auf einsamer Landstraße sehe ich für einen Augenblick lang am Straßenrand einen Schäfer mit seinem Hund stehen. Er hat einen alten Hut mit lappriger Krempe auf. Dazu trägt er einen langen grauen Mantel. Der Schäfer sieht aus, wie man halt annimmt, dass Schäfer immer schon ausgesehen haben – seit Jahrhunderten. Dass er sich mit der linken Hand ein iphone ans Ohr hält, während er mit seiner rechten den Stock an die vielen im Gras weidenden Schafe bringt, finde ich für einen kurzen Moment eigenartig. Na so was!? Kann doch nicht sein! Und dann denke ich plötzlich  an die Adeligen bei Hofe, wie sie im 18. Jahrhundert aufs Land geflüchtet sind, unter anderem inspiriert von J.J.Rousseaus Idee des Retour á la nature, um wie Schäfer zu leben. Als ob es den Schäfer, der als Naturmensch quasi selbstvergessen und technikfern ganz und gar in der Landschaft aufgeht, je gegeben hat, wir auf ein solches Bild überhaupt einen Anspruch hätten. Doch in unseren Köpfen hat sich diese vermeintliche Sehnsucht nach dem Unverfälschten anscheinend eingebrannt. Und es ist offensichtlich nicht nur der Habitus des Adeligen, der nach entsprechenden Bildern auch heute noch - zumindest intuitiv - verlangt. 

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