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Atmosphärisches Wochenbuch

Amazon und die Blinden

Matthias Ohler am 17.02.2013

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Amazon plötzlich in der Kritik - im Shitstorm, wie die Süddeutsche Zeitung Online schreibt. Wegen mieser Arbeitsbedingungen bei unterirdischer Entlohnung. Und wieder hat es jahrelang funktioniert: Man kann alles haben, über Nacht, superbillig, teils versandkostenfrei; man klickt per Maus, und bald schon klingelt´s an der Tür, und jemand, der bei einem der anderen Press-Werke sklaveln muss, reicht einem ein akkurat gestaltetes Paket. Das ist ein so keimfreier Ablauf, dass man gar nicht auf die Idee kommt, zu fragen, wer "die Zeche zahlt" (Aldo Haesler) – bis es halt doch mal rauskommt - nur ganz kurz. Man ist wieder mal erstaunt, nur ganz kurz - über´s falsche allerdings. Staunenswert ist die akkurat gestaltete Selbsttäuschung, der ständig sauber gehaltene blinde Fleck im eigenen Wahrnehmungssyetem. Selbstreferenz wäre angezeigt. Fremdreferenz ist leichter und weniger verstörend. Nein, so eine Gemeinheit aber auch von Amazon, also wirklich ... "Amazon, das sind wir" (SZ).

SZ online: "Der Gewerkschaft Verdi zufolge heuerte der Onlinehändler für das Weihnachtsgeschäft 5000 zusätzliche Hilfskräfte aus ganz Europa für die Arbeit in den deutschen Lagern an." Rührt euch, Assoziationen freigegeben.

Kommentare

24.02.2013

deaXmac

Guter Kommentar gerade bei TTT
auch vom Börsenverein des deutschen Buchhandels.
Insofern Bye,bye, Amazon.
Gegen schrumpfende Märkte sind gefräßige Dinosaurier
machtlos. Das ist der Weg.

24.02.2013

deaXmac

Es dreht sich um die Kombination von Leidensdruck und Leidenschaft.
Unter diesem Aspekt bitte einmal " "Leistung aus Leidenschaft" betrachten.
"Bei Euch Ihr (Damen) und Herren gewöhnlich aus dem Namen lesen..."
Beim Geheimrat nachzulesen.
Weshalb es bisweilen auch (der)Faust bedarf. Als Notfallmedizin

21.02.2013

Matthias Ohler

Ich darf sagen, ich fühle mich verstanden. Nicht ganz einverstanden bin ich mit den Leidensdruck-Ideen. Die führen schnell zu merkwürdigen Kausalitäts- und daran anschließende Kontrollideen - wobei ich aber nicht glaube, dass deaXmac solche hegt. Und sei´s drum.
Aus welchem Text stammt das Zitat des Geheimrats? Habe gerade wieder eine kleine Biographie über ihn gelesen, und nun linse ich wieder häufiger in seine Texte.

21.02.2013

deaXmac

Exakt! Den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich gestehe -und dies obgleich ich es hätte besser wissen müssen- ich habe mir die Binnenbedingungen bei Amazon nicht vorgestell und überdacht. Und dieses System umfassend genutzt.
Anonymisierte Ausbeutung, das ist unsere Sklaverei der Moderne, die in vielfältigster Weise zu finden ist. Gegen diese Form von Arbeitsbedingungen zu kämpfen, z.B. durch Gewerkschaften, wird nicht funktionieren. Diese Zeiten sind vorbei. Gewerkschaften erfüllen lediglich die Funktion, auf Problemfelder aufmerksam zu machen.

Hier muß der Schnitt auf einer ganz anderen Ebene erfolgen. Umdrehen, gehen und diesen Markt nicht mehr zu nutzen, i.e. Großkonzerne dieser Art nicht mehr zu tolerieren und zu unterstützen. Das ist der einzige Weg, ein Weg der Immunsisierung. Ein Weg der von innen kommt, aus dem Bewußtsein heraus, das schadet sowohl anderen als auch uns.

Es wird dauern. Es muss wachsen. Es ist auch nicht zu steuern. Dies läuft über: Wir haben erkannt, wie wir Menschen verachten, die wir für unsere Bequemlichkeit, unsere "Geiz ist geil"-Mentalität, unsere Cleverness, unseren Luxus, ausbeuten - gleichgültig, ob in der sog. 3. Welt (ein widerlicher Ausdruck von Hybris) den Schwellenländern und/oder auch mitten in Europa, wenn wir diesem Wahnsinn von Powerkonsum unterliegen und in Wegwerfmentalität weiter anheizen.
Das mag jetzt sehr radikal klingen, aber WIR vernichten uns selbst mitsamt unserer Kulturtraditionen. Gleichschaltung dieser Art ist der direkte Weg in den Totalitarismus und damit in die Barbarei.

Anders als Eigenverantwortung zu übernehmen durch: "WIR haben erkannt", wird es nicht gehen. Kultur entsteht aus vorrangig Nischen, aus Engen und Leidenssituationen, aus Notlagen, die zum Finden von Lösungen drängen. Aber niemals -Verfeinerungen in Blütezeiten ausgenommen- elementar aus Luxus heraus. Wieso auch sollte man auch etwas ändern, was einem gefällt und schmeckt? Erst wenn es anfängt weh zu tun, ....dann erst drehen sich ein System und dessen parallel laufende und übergeordnete Systeme von innen heraus.

"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen."
(Goethe)

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