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Atmosphärisches Wochenbuch

Mönchswunder

Raimund Schöll am 13.02.2016

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Während eines Workshops stehe ich mit einem technischen Leiter in der Pause. Wir trinken Kaffee. Der Mann erzählt ruhig und freundlich über seine kürzliche Ayurveda Kur in Sri Lanka. Der Mann ist untersetzt, er ist sympathisch und über 60 Jahre alt. Er erzählt mir und den Umstehenden, wo er in Ceylon überall war, und was er sich dort alles angesehen hat. Dann sagt er: Und unser Mädchen haben wir auch wieder besucht. Sie macht Fortschritte, sie lernt gut, sie ist intelligent. Aus ihr wird mal was. Ich frage: Ihr Mädchen? Er sagt: Ja, ein Mädchen,… na inzwischen eher eine junge Frau. Wir unterstützen sie schon länger - finanziell und so weiter. Wir besuchen sie immer, wenn wir in Sri Lanka sind.

Wir nippen an unseren Kaffeetassen. Der Mann spricht weiter: Sehr schön da in Sri Lanka, wirklich. Ein besonderer Ort. Ich sage: Das ist ja toll, dass sie das machen. Bewundernswert. Er: Nun ja, wir machen das, seitdem das mit der Tochter passiert ist. Ihre Tochter…? Ja sie ist tot. Mit 18 gestorben - an Krebs. Meine Frau und ich waren damals nicht mehr bei uns gewesen. Die Welt stand still. Sein Blick wandert ins Leere. Wir konnten nichts mehr mit uns anfangen, es ging nichts mehr. Dann sind wir mit vereinten Kräften nach Sri Lanka. Freunde haben uns diese Ayurveda Kur geschenkt, na eher dazu überredet. Also flogen wir. Erst wußten wir auch dort überhaupt nichts mit uns anzufangen. Wir hingen nur herum. Bis in der zweiten Woche ein Mönch auftauchte. Er war auf uns aufmerksam geworden. Er hatte sich für uns interessiert. Er hörte uns zu. Immer hörte er nur zu. Am nächsten Tag war er wieder da und hörte zu. Dann stellte er Fragen. Immer nur kleine kurze Fragen. Als er das mit der Tochter gehört und verstanden hatte, bat er uns am nächsten Tag, mit ihm in den Tempel zu gehen. Einen ganzen Tag waren wir mit ihm in seinem Tempel und er wich nicht von unserer Seite. Er beschäftigte sich nur mit uns. Das war…, wie soll ich sagen, …es fehlen mir die Worte. Und irgendwann sagte er: Eurer Tochter gehts gut, sie ist jetzt woanders aber dort, wo sie ist, ist sie glücklich. Sie ist ja da, nur halt woanders. Sie will nicht, dass ihr leidet.

Der Blick des Mannes schweift zur Decke. Wissen Sie, das ist schon ein Wunder gewesen. Aber ich habe..., nein wir haben innerhalb eines Tages wieder zu uns gefunden. Plötzlich waren wir wieder da. Ich habe eine tiefe Hochachtung vor diesem Mönch. Dieser Mann hat uns unser Leben zurück gegeben. Fragen sie nicht. Es ist einfach so gewesen. Mehr kann ich nicht dazu sagen. Es gibt seit kurzem noch ein anderes Mädchen, dem wir unter die Arme greifen. Sie ist Tamilin. Wir haben sie noch nicht gesehen, aber wir werden sie beim nächsten Mal, wenn wir wieder in Sri Lanka sind, besuchen gehen. Der Mann, der technische Leiter, nippt  nun wieder am Kaffee und lächelt freundlich in die Runde. Jetzt ein wenig selbst wie ein Mönch.

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