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Atmosphärisches Wochenbuch

Vierte Mitteilung

Raimund Schöll am 08.08.2015

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Der Tod. Durch die Leiblichkeit wirst du täglich an ihn erinnert. Besonders wenn du älter wirst, und du beobachtest, was passiert, merkst du: Dein Leib hat ein Verfallsdatum - das du nicht kennst freilich. Aber er ist auch ein göttliches Geschenk, dein Leib. Die Wärme auf deiner Haut, das Prickeln im kühlen Nass eines Sees, das wohlige Gefühl nach einem guten Essen, die angenehme Müdigkeit, wenn du körperlich etwas getan hast. Das ist dein Leib, und das schenkt dir dein Leib. Dein Leib bist du. Du bist dein Leib. Du solltest ihn annehmen, wie er ist, mit all seinen Vorteilen, Schwächen und Schwachstellen. Du hast ja nur den einen, und du kannst auch nicht heraus aus ihm. Du kannst dir das fromm wünschen, ja. Aber ändern tut das naturgemäß nichts. Jedenfalls vorerst.
 
Intellektualität ist alles, denkst du. Aber bedenke: Dein Leib ist stets dabei, wenn du denkst. Wenn gedacht wird, denkt dein Körper, dein Leib. Alles, was du bist, denkt, wenn es denkt. Woher weißt du eigentlich, dass du denkst? Du könntest auch gedacht sein! Dass dein Geist freischwebend wäre und nichts mit deinem Leib zu tun hat, gleichsam unabhängig ist, könnte sich eines Tages als Mißverständnis heraus stellen. Körper und Geist sind eine Medaille - wenn du willst, gern auf zwei Seiten verteilt.
 
Und noch was: Ersetze Körper und Geist durch die Kunstworte: TOS und TAS. Das sagt ungefähr genauso viel oder wenig aus wie die Begriffe Körper und Geist - oder Tod. Und: Gibt es ein Leben ausserhalb der Sprache? Ja, aber nur, wenn du es nicht benennst. Und was wüßtest du da schon über den Tod?!
 
(R.S.. Mitteilungen aus der Saugglocke, unveröffentlichtes Manuskript, 2015)
 

 

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