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Atmosphärisches Wochenbuch

Stimmungslogik in Griechenland

Raimund Schöll am 31.01.2015

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In Griechenland ist mit dem Regierungswechsel auch ein Stimmungswechsel eingetreten. Weg von lethargisch-ohnmächtig hin zu kämpferisch-hitzig, könnte man sagen. Abzulesen war dies u.a. gestern an der halbstarken Körpersprache des neuen Finanzministers Varoufakis, als der Troika-Chef Dijsselbloem auf einer Pressekonferenz mehr oder weniger die Tür aus Athen wies. Eine meiner Zungen deutelt, dass der Aufttrit habituell gewisse Parallelen zu allseits bekannten Auftritten Wladimir Putins aufwies. Aber nun, die Motive sind alles in allem nachvollziehbar. Da wollte es einer, der vom Volk dazu autorisiert worden ist, im Gestus des Volkstribuns als Stimmungskanone gegen böse Bürokraten gerichtet, die scheinbar nichts anderes gelten lassen außer der nackten Zahl, der Welt mal richtig zeigen.

Atmosphärologisch kann man das, was in Griechenland gerade vor sich geht auch als die Entladung eines kollektiven Gefühlsstaus beschreiben. Oder als Aufstand gefühlter Underdogs gegen die Topdogs. Auf jeden Fall sollte man nicht den Fehler machen und den bewusst proletarisch inszenierten Politikstil von Tsipras und seinen Mannen als hirnlos abtun. So komisch es klingen mag, verschafft die inszenatorisch aufgeführte Unterschiedsbildung in Politikstil und Verhalten, im Moment möglicherweise genau jenen Distinktionsgewinn, der dringend benötigt wird, um objektiv und auf Augenhöhe neu weiter verhandeln zu können. Einen Distinktionsgewinn freilich jenen gegenüber, die man bislang als Streber und mit Zepter in der Hand wahrnahm. Abzuwarten bleibt nun, wann und ob sich die Tsipras-Administration tatsächlich anschickt, der Stimmungslogik eine realpolitische folgen zu lassen.

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