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Atmosphärisches Wochenbuch

Scham und Dummheit

Matthias Ohler am 17.02.2011

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Die Debatte um den Minister, der sich nun zunehmend auch selbst verteidigen muß, ist lustig allein deshalb, weil sie so schamlos die Strategien offenbart, denen vielleicht auch Guttenberg selber gefolgt ist: Gehörst Du zu einer Sphäre, schützst Du sie, auch unwissentlich, badest darin, habituell, und wirst unvorsichtig. Das betrifft zwar auch die Ankläger, aber die Verteidiger sind lustiger. Was schreibt die WELT?:

„“Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Doktorarbeit neben seinem Bundestagsmandat verfasst. Das ist eine beträchtliche geistige und auch physische Leistung. Es hat bislang keinen Grund gegeben, daran zu zweifeln, dass er das Zeug dazu gehabt hat, eine solche Herausforderung zu meistern. Wenige Außenpolitiker haben sich derart intensiv und leidenschaftlich in die Grundlagen des wichtigsten weltpolitischen Partners der Bundesrepublik eingearbeitet wie er. Wenn diese Leistung Bestand haben soll, kommt es jetzt darauf an, dass der Verteidigungsminister schlüssig darlegt, wie es zu den beanstandeten Textpassagen gekommen sein könnte.““ (Damit keine Probleme entstehen für den Verfasser dieser Zeilen hier: zitiert nach  http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-02/guttenberg-plagiat-presseschau  , deshalb mal vorsichtshalber doppelte Anführungszeichen)

Solche Herausforderungen meistern ja nun Frauen mit Kindern mit und ohne Partner, alleinerziehende Väter, Therapeutinnen und Therapeuten mit vollen Praxen ohne den Stab eines Bundestagsmandatierten und viele andere Leute ohne große Presse tagtäglich. Der Habitus des Adels mag dazu verführen, mit den Beiträgen anderer zum eigenen  Überleben - und sei es über den ambitionierten Titel - etwas nachlässiger umzugehen. Und man kann sich ja noch darauf verlassen, dass einen die Welt - oder Teile davon - verteidigt. Adel verpflichtet - nicht unbedingt den Adel selber ... Wie lebendig ist doch nach wie vor die verführerische Sehnsucht nach den quasi natur- oder halt doch gottgegebenen Führungspersönlichkeiten, deren Habitus eben ein paar Flausigkeiten und Schrullen auszeichnen. Hauptsache, man kann sich im Dunstkreis (Atmosphäre) aufhalten. 

Für den Verteidigungsminister passt ein Zitat des wunderbaren Ethnologen und Philosophen Hans Peter Duerr bei dessen Kollegenschelte: „so bleibt nur noch übrig, festzustellen, daß die Dummheit dieses Gelehrten seine Schamlosigkeit noch übertrifft.“(Duerr, Hans Peter: Der Mythis vom Zivilisationsprozess, Bd. 1 Nacktheit und Scham, Frankfurt/M. 1988, S. 142. Duerr bezog sich auf Fotos des Ethnologen Cipriani, der sich schämende Onge-Frauen mit bloßen Brüsten zwang, in die Kamera zu sehen zum Beweis, sie hätten nicht den leisesten Sinn für Scham.)

Fritz B. Simon hat einen schönen Beitrag zum Thema in der Sytemischen Kehrwoche geschrieben, http://www.carl-auer.de/blog/simon/axolotl-guttenberg/#more-2051

Die offizielle Netzseite des Freiherrn (  http://www.zuguttenberg.de/  ) mit ihren Bildunterschriften (woher immer auch diese Textbausteine nun wieder stammen mögen) ist nun auch einen Besuch wert.

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