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Atmosphärisches Wochenbuch

Simulation - zum Dritten

Matthias Ohler am 12.12.2011

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Die Welt der Märklin-Eisenbahn war (und ist) die weihnachtliche Komplexitätsreduktion. Die Berufe-Simulation per Computerspiel ist die Fortführung des Spiels mit virtuellen Mitteln und weihnachtsunabhängig. - Der Straßenkehrmaschinenfahrer (oder Winterdienstfahrer) simuliert allerdings weder sich selbst, noch den Dreck, den er zu kehren hat, noch seinen dürftigen Lohn. Insofern birgt das Simulationsangebot per Computerspiel die Gefahr, das eigene Gefühl dabei für repräsentativ zu halten für das Gefühl des Straßenkehrmaschinenfahrens schlechtweg (phänomenologische Herausforderung! Ulrike Meinhof hätte wahrscheinlich davon geredet, daß das alles sehr politisch sei.)

Jean-Paul Sartre beobachtet den Kellner, der Kellner ist, indem er Kellner spielt - also bedient, was er zu sein hat (Das Sein und das Nichts). Damit beschreibt Sartre die simulatorischen Anteile beruflicher Identitäten. Ohne wirklich anwesende Gäste wird das aber keine atmosphärische Wirklichkeit und Identität.

Die stellvertretenden Diskussionen in Fernseh-Talkshows sind die Straßenkehrmaschinen par excellence. Sie halten die Leute von der Straße weg vor den Bildschirmen, um Diskussionen zu simulieren, die sie selber nicht führen - vielleicht im Anschluß an die Sendung mit wem auch immer darüber, wer am sympathischsten war oder die eigene Meinung am besten getroffen hat. Als solche Maschinen wirken sie nicht simuliert, sondern real.

Lionel Messi allerdings, Kreativ-Zentrum des FC Barcelona, danach befragt, wen er am liebsten spiele im Fussballsimulator seines Computers, antwortete: mich selbst.

Kommentare

12.12.2011

Raimund

Der Berufssimulator hat ja in der Tat was theatralisch Postromantisches. Das Motto: ach, einfach nur mal Schneeräumen; was für eine Leichtigkeit des Daseins. Von wegen, wenn man den echten Schneeräumer fragt ( hab tatsächlich mal mit einem geredet). Als ich mal ehrenamtlicher Vorstand in einer Reformschule war, hieß es auch gerne: ach der Wald, der bringt unseren Kindern wieder das echte Leben nah. Die Bauern des Waldes fanden das "echte Leben" der Kinder im Wald nicht so witzig. Malträtierte Jägerstände, allzu menschliche Hinterlassenschaften etc.

Gerade hab ich mein Auto in die Werkstatt gebracht, und hab' mir vorgestellt, wie es wäre, wenn ich den Werkstattmeister zu Hause vor dem PC simulieren würde? - kam mir ziemlich lächerlich vor dabei.

Aber vielleicht sollten wir mal in unserer Atmosphären-Akademie "Hart aber Fair" simulieren. Spaß würd's ja machen. Vor allem die anschließende Meta-Ebene wäre interessant. :)

Ganz und gar unsimulative
Grüße
Raimund

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