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Atmosphärisches Wochenbuch

Naturhorn

Matthias Ohler am 06.11.2011

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Aus Victor Kleins Konzert-Erfahrungen:

Gestern besuchte ich ein Hubertus-Konzert von professionellen Naturhorn-Bläsern, die sonst in großen Sinfonie-Orchestern spielen. Die drei Hornisten spielten die sehr schwierig zu bespielenden, ventillosen Instrumente anwirkend gut und ausgesprochen sauber: Duette, Trios und Quartette (wirklich!) von Mozart, Zwierzina, Kenn, Reicha und anderen. Einer erzählte zwischendurch kenntnisreich und eloquent einiges musikhistorisch und komponistenbiographisch Interessante. Es hat sich gelohnt, dort gewesen zu sein. Auch der zeitliche Rahmen stimmte; nach anderthalb Stunden kommt aus Natur-Hörnern nicht mehr wirklich viel Neues und harmonisch Überraschendes. Die Musik ging an mich, wie gut komponierte jagdliche Musik schon immer an mich geht. Ich erklär´s mir selbstschmeichelnd, blinde Flecken ignorierend und wenig logisch konstistent mit der frühen Lektüre der Lederstrumpf-Erzählungen.

Warum zentral im Konzertsaal - einer umbegauten ehemaligen Flak-Halle - nun doch ein abgezogener Wildsauenmantel und ein Ziemlich-viel-Ender-Geweih platziert sein musste, erschloß sich mir allerdings nicht wirklich - bis ich mich umsah. Viele Jäger waren da, dementsprechend viele Bärte, Stil vor 1914, und Frisuren aus dem zweiten Quartal des 20. Jahrhunderts, jede Menge Loden und Hornknöpfe. Ich brachte es nicht fertig, mich zu wundern. Und ich mittendrin, denkend: ja Menschenskind, zu diesem Volk gehörst Du. Die lesen Zeitungen in der gleichen Sprache wie Du, zahlen mit dem Euro und sprechen über die D-Mark, und diese Musik geht auch an sie. Immerhin war Hermann Göring seit 1934 Reichsforstmeister, Reichsjägermeister (prost) und Oberster Beauftragter für den Naturschutz. Das unter seiner Führung erlassene Reichsjagdgesetzt gilt in wesentlichen Bestimmungen bis heute - besonders in Bezug auf das Selbstvertändnis vieler Jäger als Heger. Da fiel halt die Übertragung auf Hege von Menschenbeständen schon leicht. - Mir wird mulmig, und ich versuche, genauer zu beobachten, was in mir wirkt. Ich höre mir Jazziges hinein in die Tonfolgen, dann wieder heraus - hilft.

Göring war aber gestern nicht da. Und Flaks sieht man auch keine mehr. Ist auch wirklich besser, hier Naturhorn zu blasen als Granaten in die Luft. Und was können die Hörner dafür, wenn auf ihnen die falschen Märsche geblasen werden. Wie sagt R.S.: Das Wild lebt einzeln und in Rudeln, und schmeckt auch gut zu breiten Nudeln.

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